Maurits Kaptein über Big Data und die Zukunft im Persuasion Marketing

Maurits Kaptein über Big Data und die Zukunft im Persuasion Marketing

Wenn es um Fragen zur Rolle von Big Data für aktuelle und künftige persuasive Strategien im Online-Marketing geht, ist Maurits Kaptein einer der gefragtesten Gesprächspartner weltweit. Im Rahmen eines von der US-amerikanischen Testing-Wissenstransfer-Plattform WhichTestWon geführten Interviews hat er kürzlich ausführlich interessante Einblicke in seine Arbeit in Forschung und Entwicklung gewährt und über seine Erwartungen für die Zukunft im Persuasion Marketing gesprochen.

Der Begriff ‚Big Data‘, daraus macht der „Science Rockstar“ Maurits Kaptein im Interview mit WhichTestWon keinen Hehl, ist für ihn nicht viel mehr als eines der periodisch auftretenden Buzz-Words, die dann jeweils eine Zeit lang in der IT-Branche herumgeistern. Allerdings konstatiert er in der jüngeren Vergangenheit sehr wohl signifikante Veränderungen im Umgang mit Daten, insbesondere sehr großen Datenmengen, die auch ganz neue Problemstellungen mit sich bringen – und sieht in diesem Zusammenhang noch sehr viel Potential für die Zukunft. Gerade im Hinblick auf die Interaktion zwischen menschlichem Verhalten und Technologie und personalisierte interaktive Kommunikation im Internet.

Was verbirgt sich hinter ‘Big Data’?

Maurits Kaptein versucht, das Blendwerk des Begriffs ‘Big Data’ beiseite zu schieben und in den Blick zu rücken, was sich dahinter verbirgt: eine allgemeine Veränderung im Umgang mit Daten – oder vielleicht eher: ein anderer Umgang mit Dingen, Relationen und Ereignissen auf Datenebene. Es geht, so Kaptein, heute nicht mehr darum, eine bestimmte Menge an Daten zu sammeln und dann in einem geschlossenen Verfahren zu analysieren, um ein festes Ergebnis als Handlungsgrundlage zu erhalten. Neben den Herausforderungen, die enorme Datenmengen allein im Bereich Hardware mit sich bringen, geht es ihm zufolge vor allem darum, statische Auswertungsmodelle zu überwinden und Daten völlig neu zu denken, nämlich als stetigen Strom, der Entscheidungen beeinflusst, die wiederum in Form von neuen Daten in genau diesen großen ‘stream of data’ eingehen. In den auf diese Weise fortwährend entstehenden Feedbackschleifen sieht er einen der interessantesten Aspekte von ‘Big Data’. So gesehen gehört der Beschäftigung mit massenweise auftretenden, unstrukturierten Daten die Zukunft – und nicht etwa festen Datenbeständen. Data-Mining ist demnach weniger das Heben von verborgenen Schätzen, als ein Sich-bewegen im ständig fließenden, sich unablässig verändernden Strom der Daten. Werden also Messen, Auswerten, Wählen und Handeln künftig zunehmend in einem einzigen großen Prozess aufgehen?

Trial and Data

Ein weiterer wichtiger, damit unmittelbar zusammenhängender Punkt in der Arbeit von Maurits Kaptein ist sein experimenteller Ansatz für persuasive Strategien. Ihm zufolge ist es nicht nur etwas ungenau, nach der schematischen Auswertung einer bestimmten Anzahl von Datensätzen starre Klassifikationen in bestimmte Gruppen und Profile vorzunehmen, sondern die Ergebnisse treffen oftmals schlichtweg nicht zu. Wer seine Neukunden nach der ersten Bestellung in eine feste Typologie (z.B. ‘Versandkostensparer’ oder ‘Markenfetischist’) presst, liegt damit leider in ärgerlich vielen Fällen daneben und kann später auch möglicherweise auftretenden Schwankungen und Veränderungen im Kaufverhalten nicht mehr Rechnung tragen. Er wird seinen Profilkunden immer wieder auf dieselbe Art und Weise vermeintlich personalisierte Angebote machen. Kaptein propagiert dagegen Lösungen, die absichtlich nicht präzise, nicht festgelegt arbeiten. Die PersuasionAPI Algorithmen zum Beispiel probieren immer wieder mal etwas völlig Neues aus. Sie experimentieren und sehen, was passiert – wieder und wieder. Auf diese Weise sind sie in der Lage, dazuzulernen. Sie agieren “näher am Kunden” und liefern schließlich, so Kaptein, die besseren Empfehlungen und Argumente.

Lassen sich Online-Kunden überhaupt kennenlernen?

Angesprochen auf die Probleme der Auswertung von stark diversifiziertem Kaufverhalten (jemand kauft in einem Shop Artikel für sich selbst, seine unterschiedlich alten Kinder und seine netzscheuen Eltern – soll aber in ein Kundenprofil passen), gibt Maurits Kaptein eine Antwort in zwei Teilen. Zum einen, wendet er ein, sei es immer noch möglich, dass es auf den ersten Blick lediglich nicht deutlich werdende Muster gibt, denen zufolge die Produkte eben doch sehr gut zusammenpassen (etwa: alle waren reduziert, es handelt sich ausschließlich um sehr populäre Produkte). Zum anderen betont Kaptein, dass es bei weitem kein perfektes Profil geben könne und das Potential des Profilings generell oft maßlos überschätzt werde. Es gehe allein darum, den Kunden die ein wenig besseren Vorschläge zu machen als es ein Zufallsgenerator tun würde – ein feiner aber manchmal eben entscheidender Unterschied.

Und was kommt als nächstes?

Nach seinen Aussichten für die Zukunft gefragt, freut sich Maurits Kaptein auf das unschätzbare Potential das in den ständig und überall entstehenden Datenmassen und -strömen liegt. Aber in mancher Hinsicht ist er auch ausgesprochen nachdenklich – um nicht zu sagen: besorgt. So sieht er gegenwärtig großen Nachholbedarf in Bezug auf das allgemeine Wissen um die in digitaler Kommunikation wirksamen Algorithmen und wünscht sich eine gesunde Portion Skeptizismus. In der Mensch-Maschine Kommunikation sieht er neben den unschätzbaren Möglichkeiten auch potentielle Abgründe, die zwar eher in Science Fiction Romanen und Filmen anzusiedeln, allerdings auch in der realen Welt nicht unbedingt und für immer auszuschließen sind. Als Fachmann für Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeiten und das mögliche, wenn auch unwahrscheinliche Eintreffen von Ereignissen gibt er zu bedenken, dass dynamisch lernende Algorithmen ohne zu zögern auch zu unerwünschten Lösungen greifen könnten, sofern diese zu einem zuvor definierten Ziel führen. Maschinen, Algorithmen als in Echtzeit agierende, selbstlernende und hochrückgekoppelte Multiparametersysteme müssen mit viel Umsicht programmiert und konfiguriert werden. Dann allerdings werden sie auch weiterhin immer neue Möglichkeiten erschließen und an der richtigen Stelle für den feinen Unterschied sorgen.

Zur Person: Maurits Kaptein

Maurits Kaptein ist der Kopf hinter den mittlerweile zu webpower gehörenden Science Rockstars, die mit ihrer PersuasionAPI die Online-Marketing Szene aufgemischt haben. Seinen wissenschaftlichen Werdegang begann er in der Psychologie, wandte sich über die Statistik aber bald der Informatik zu und beschäftigte sich bereits als Student intensiv mit lernfähigen Maschinensystemen. Mittlerweile ist er Assistenzprofessor für Künstliche Intelligenz an der Radboud-Universität in Nijmegen in den Niederlanden. Mit den Science Rockstars hat er PersuasionAPI konzipiert und umgesetzt, eine leistungsfähige und siteübergreifend arbeitende, selbstlernende Recommendation Engine.

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