Was bedeutet der Brexit für Shopbetreiber?

Was bedeutet der Brexit für Shopbetreiber?

Der Brexit stellt Onlinehändler in der Europäischen Union vor neue bürokratische, finanzielle und organisatorische Herausforderungen. Die neuen rechtlichen Bestimmungen sind reich an verborgenen Tücken und einige Logistikunternehmen wie Schenker und DPD haben den Warenverkehr über die neue EU-Außengrenze inzwischen vorübergehend eingeschränkt oder ganz eingestellt. Was genau bedeutet das alles für den Alltag im E-Commerce? Wir fassen die wichtigsten Fakten zusammen.

Vor einem knappen Jahr, am 31. Januar 2020, ist das Vereinigte Königreich nach langem Tauziehen aus der EU ausgetreten. Nach dem Ende der Übergangsfrist, seit dem 1. Januar 2021, ist Großbritannien nicht mehr Teil der EU-Zollunion, so dass Lieferungen über den Ärmelkanal nun als Ausfuhren behandelt werden. Zudem zieht die veränderte Situation steuerrechtliche Konsequenzen nach sich – und datenschutzrechtlich gilt Großbritannien nunmehr als Drittland.

Welche Zollbestimmungen gelten jetzt für den Warenversand?

Auf den letzten Metern, am 24. Dezember 2020, konnten sich die EU und Großbritannien schließlich doch noch auf ein Zollabkommen einigen, das die Erhebung von Zöllen zwischen beiden regelt. Für die meisten Waren werden zwar keine Zölle erhoben, Zollformalitäten entfallen dadurch jedoch ausdrücklich nicht. Auf Händler kommen damit eine ganze Reihe von neuen Anforderungen zur korrekten Abwicklung der ausgehandelten „Nulltarif-Zölle“ zu. Und weil es in der Umsetzung der neuen Bestimmungen vielerorts noch erhebliche Defizite gibt, wird eine große Zahl von Transporten wegen unvollständiger Frachtpapiere an der Grenze zwischen EU und Großbritannien abgewiesen, so dass mehrere Logistikunternehmen die entsprechenden Strecken derzeit bis auf Weiteres nicht mehr bedienen.

EORI-Nummer beantragen

Händler mit Sitz in der EU müssen sich zunächst für den Handel mit dem Vereinigten Königreich registrieren lassen. Dabei bekommen sie eine EORI-Nummer (Economic Operators´ Registration and Identification number) zugeteilt, die sowohl für Ausfuhren als auch für Einfuhren angegeben werden muss. Detaillierte Informationen über EORI-Nummern und die Antragstellung bietet der Zoll an. Die EORI-Nummer muss von Händlern im Datenaustausch mit den Zollbehörden angegeben werden.

Datenaustausch über ATLAS

Der Informationsaustausch mit den Zollbehörden funktioniert elektronisch. Allerdings wird er über das IT-System ATLAS (Automatisiertes Tarif- und Lokales Zollabwicklungssystem) für die – weitgehend – automatisierte Abfertigung und die Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs abgewickelt. Um ATLAS nutzen zu können, bedarf es einer entsprechenden Anmeldung und der passenden Software zur Teilnahme an dem Verfahren, die von unterschiedlichen Anbietern bereitgestellt wird. Als Format für den Datenaustausch ist mittlerweile XML etabliert. Detaillierte Informationen über ATLAS, die Anmeldung und die technischen Voraussetzungen für die Nutzung bietet der Zoll an.

Präferenzerklärung für Ursprungsregeln

Nur wenn das Ursprungsland einer Warenlieferung zwischen EU und UK korrekt angegeben worden ist, kann die Lieferung die Grenze mit einem Null-Prozent-Zollsatz passieren. Sowohl für B2B- als auch für B2C-Lieferungen ist daher neben der genauen Angabe des Werts der Waren eine sogenannte Präferenzerklärung, das heißt die explizite Angabe des Ursprungslands in der beiliegenden Rechnung nötig. Die Rechnung muss der Lieferung in dreifacher Ausführung beiliegen: Für die Zollbehörden im Ursprungsland, für die Zollbehörden im Zielland und für den Empfänger.

Bei Sendungen bis zu einem Warenwert von 6.000 Euro muss der Absender der Waren diese Erklärung eigenhändig unterschreiben. Wenn er sich durch eine spezielle Bewilligungsnummer (Exporter Ref. No) als „ermächtigter Ausführer“ ausweisen kann, ist die Unterschrift nicht erforderlich und der Wortlaut der Erklärung zum Ursprung der Waren ändert sich leicht. Die Präferenzbegünstigung für die Lieferung beantragt dann der Versanddienstleister bei den Behörden, und wenn alle Formalitäten erfüllt sind, wird der Zollsatz auf 0 Prozent reduziert.

Spezialfall Nordirland

Im Nordirland-Protokoll, das Teil des Austrittsabkommens ist, wird festgelegt, dass Nordirland zwar Teil des britischen Zollgebiets bleibt, während dort die Binnenmarktregeln und der Zollkodex der EU angewandt werden. Das heißt, dass der Warenversand zwischen der EU und Nordirland auch nach dem Brexit unverändert – also auch ohne Ursprungserklärung zollfrei – stattfinden kann.

Was ändert sich im Hinblick auf Steuern?

Da Lieferungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich seit dem Brexit als Aus- beziehungsweise Einfuhren behandelt werden, wird auf sie nun die Einfuhrumsatzsteuer erhoben. Einfuhren aus Großbritannien müssen daher zum aktuellen Mehrwertsteuersatz versteuert werden.

Da das Vereinigte Königreich steuerrechtlich nunmehr ein Drittland ist, müssen entsprechende Einstellungen im Backend des Onlineshops vorgenommen werden:

  • OpenMage (Fork von Magento 1)
    In OpenMage unter System > Konfiguration > Allgemein > Länderoptionen > EU-Länder das Vereinigte Königreich aus der Liste der EU-Mitgliedsstaaten entfernen (bei gedrückter STRG-Taste anklicken um sicherzustellen, dass die übrigen 27 EU-Länder weiterhin aktiv bleiben). Anschließend speichern

    Brexit OpenMage

  • Magento 2
    In Magento 2 unter Stores > Configuration > General > Country Options > European Union Countries das Vereinigte Königreich aus der Liste der EU-Mitgliedsstaaten entfernen (bei gedrückter STRG-Taste anklicken um sicherzustellen, dass die übrigen 27 EU-Länder weiterhin aktiv bleiben). Anschließend speichern

    Brexit Magento 2

    Zudem müssen die Steuereinstellungen des Shops angepasst werden. Ausführliche Informationen und Anleitungen zur Verwaltung von Steuersätzen, -zonen und -regeln finden sich im 13. Kapitel unseres Magento 2 Handbuchs.

    • Unter Stores > Taxes > Tax Zones and Rates einen Steuersatz (Tax Rate) für Großbritannien mit einem Steuersatz von 0 % anlegen beziehungsweise den bereits bestehenden Steuersatz entsprechend anpassen. Anschließend speichern.
    • Unter Stores > Taxes > Tax Rules eine neue Steuerregel für die Anwendung des Steuersatzes von 0 % für das Vereinigte Königreich anlegen. Je nach Anwendungsfall (B2B oder B2C beziehungsweise für spezielle Produkte) müssen eventuell weitere Einstellungen vorgenommen werden. Anschließend speichern.
    • Wenn eine Steuerregel für die EU-Länder eingerichtet ist, muss sie zur Bearbeitung geöffnet werden, damit der Steuersatz für das Vereinigte Königreich daraus entfernt werden kann. Anschließend speichern.
  • Shopware 5
    Unter Einstellungen > Grundeinstellungen > Shopeinstellungen > Länder Großbritannien auswählen und rechts das Feld Gebiet von „Europa“ auf „Welt“ ändern. Zusätzlich unten die Checkbox Steuern deaktivieren für dieses Land auswählen. Anschließend speichern.

    Brexit Shopware 5

  • Shopware 6
    In Shopware 6 unter Einstellungen > Länder Vereinigtes Königreich (beziehungsweise United Kingdom) auswählen, den Schalter Steuerfrei aktivieren. Anschließend speichern.

    Brexit Shopware 6

  • Alle Systeme
    In jedem Fall gilt natürlich: Änderungen an den Steuereinstellungen des Shops sollten nur in Rücksprache mit Fachleuten für steuerliche Angelegenheiten vorgenommen werden. Und im Anschluss muss im Frontend gründlich getestet werden, ob die Einstellungen korrekt und wirksam sind.

Und was ändert sich durch den Brexit in Sachen Datenschutz?

Auch datenschutzrechtlich ist Großbritannien seit dem Brexit für die Europäische Union zum Drittstaat geworden. Dank einer im Austrittsabkommen vereinbarten Übergangsregel wird die Übertragung von Daten aus der EU nach Nordirland, Schottland, Wales und England vorübergehend nicht als Übermittlung an einen Drittstaat im Sinne des Unionsrechts behandelt. Das Vereinigte Königreich ist also zunächst nicht als Drittstaat im Sinne der DSGVO zu behandeln. Personenbezogene Daten können derzeit auch ohne spezielle Standardvertragsklauseln oder Binding Corporate Rules nach Großbritannien übertragen werden – zunächst einmal für die viermonatige Übergangsfrist, die noch einmal um zwei weitere Monate verlängert werden kann. Die EU arbeitet bereits seit geraumer Zeit an einem Angemessenheitsbeschluss, durch den geregelt werden soll, dass Großbritannien künftig als sicherer Drittstaat im Sinne der DSGVO behandelt werden kann. Diese Mühen dürften am Ende jedoch vergeblich gewesen sein.

Angesichts von Boris Johnsons Ankündigung, in Sachen Datenschutz eigene Wege beschreiten zu wollen und unter dem Eindruck des Schrems-II-Urteils des EuGH zum EU-US Privacy Shield ist davon auszugehen, dass die Übertragung personenbezogener Daten in das Vereinigte Königreich in absehbarer Zeit ähnlich problematisch sein wird, wie sie es in die Vereinigten Staaten bereits heute ist. Shopbetreiber sollten daher bereits jetzt sehr genau prüfen, inwieweit sie personenbezogene Daten an Unternehmen mit Sitz in Großbritannien übertragen und die Möglichkeiten für Alternativen ausloten.

Was bedeutet der Brexit im Hinblick auf das Rückgaberecht?

Seit dem Brexit gilt für Verbraucher in Großbritannien das 14-tägige Rückgaberecht nicht mehr. Wer einen Onlineshop betreibt und weiterhin nach Großbritannien liefert, sollte sich daher Gedanken darüber machen, ob und in welcher Weise dieser Service den Kunden im Vereinigten Königreich trotzdem auch weiterhin angeboten werden kann. Möglich ist das etwa in Zusammenarbeit mit einem internationalen Versanddienstleister oder über einen Partner für internationale Retourenlösungen.

Ist Ihr Onlineshop Brexit-proof?

Wir beraten Sie gern und helfen Ihnen dabei, Ihren Shop fit für den E-Commerce nach dem Brexit zu machen.
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