BFSG und E-Commerce (Teil I): Barrierefreiheit für Onlineshops wird 2025 Pflicht

BFSG und E-Commerce (Teil I): Barrierefreiheit für Onlineshops wird 2025 Pflicht

Onlinehändler müssen aufgrund neuer rechtlicher Bestimmungen bereits 2025 sicherstellen, dass ihre Shops barrierefrei sind. Wer noch nicht entsprechend vorgesorgt hat, sollte sich jetzt zügig darum kümmern, den eigenen Shop für das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) fit zu machen. In diesem ersten Teil unseres Schwerpunkts zur Barrierefreiheit im E-Commerce fassen wir die wichtigsten Fakten rund um das BFSG zusammen.

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)

In den vergangenen Jahren sind auf unterschiedlichen Ebenen und in mehreren Stufen politische Vorgaben für mehr Barrierefreiheit definiert worden. Öffentliche Stellen sind bereits seit 2019 dazu verpflichtet, elektronisch zur Verfügung gestellte Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten. Aus demselben Jahr stammt die EU-Richtlinie 2019/882 „über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen“ (European Accessibility Act, EAA). Mit dem 2021 verabschiedeten Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) wird diese Richtlinie umgesetzt. Ergänzt wird das BFSG durch die Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV) von 2022, in der Einzelheiten zur konkreten Ausgestaltung von barrierefreien Dienstleistungen enthalten sind. Die neuen gesetzlichen Vorgaben beziehen sich auf die Barrierefreiheit von Websites, Onlineshops und Apps, aber auch von Endgeräten wie Tablets und Smartphones oder Selbstbedienungsterminals – etwa Fahrkarten- und Geldautomaten. Der Gesetzgeber stärkt die Rechte von Menschen mit körperlichen Einschränkungen und legt fest: Wer online einkaufen möchte, soll das barrierefrei tun können. Und das wird schon bald rechtlich bindend sein.

Das BFSG gilt laut § 1, Absatz 3 für Dienstleistungen, die für Verbraucher nach dem 28. Juni 2025 erbracht werden – unter anderem für „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“. Das heißt, die neuen Bestimmungen gelten eindeutig auch für den Online-Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen an Endkunden – also für alle Anbieter im B2C-E-Commerce.

Stichtag: 28. Juni 2025

Bereits am 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) rechtlich bindend in Kraft. Das heißt, bis zu diesem Stichtag müssen Onlinehändler ihre Onlineshops so weit angepasst haben, dass sie den neuen rechtlichen Anforderungen gerecht werden. Ausnahmen von dieser Pflicht gibt es nur zwei.

Ausnahmen: Reine B2B-Händler und sehr kleine Shops

Lediglich reine B2B-Onlinehändler müssen sich nicht an die rechtlichen Vorgaben aus dem BFSG halten, da sie nicht direkt mit Verbrauchern Handel treiben. Alle anderen Onlineshops müssen die Bestimmungen des BFSG in ihren Shops umsetzen, es sei denn (das ist die zweite Ausnahme), sie gelten als Kleinstunternehmen laut § 2, Satz 17, sind also ein „Unternehmen, das weniger als zehn Personen beschäftigt und das entweder einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro erzielt oder dessen Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 2 Millionen Euro beläuft“.

Im Umkehrschluss bedeutet das: Alle, die online auch oder sogar ausschließlich an Endkunden verkaufen und dafür mehr als zehn Personen beschäftigen beziehungsweise damit mehr als 2 Millionen Euro im Jahr umsetzen, müssen sicherstellen, dass ihr Shop die oben zitierten Anforderungen erfüllt. Kleinere Unternehmen will der Gesetzgeber im Hinblick auf die Umsetzung der barrierefreien Gestaltung zwar nicht verpflichten, aber ausdrücklich ermutigen und unterstützen.

Einfach bedienbare Onlineshops – und zwar für alle!

Das Ziel hinter dem BFSG ist die Verbesserung der Möglichkeiten zur selbstbestimmten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für Menschen, die körperlich beeinträchtigt sind. Davon profitieren sollen also Menschen mit Beeinträchtigungen des Sehvermögens, des Gehörs, mit manuell-motorischen Einschränkungen oder mit kognitiven Einschränkungen beziehungsweise Konzentrationsschwäche.

Barrierefreier E-Commerce: Anforderungen an Onlineshops

Aber welche Anforderungen stellt das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz nun konkret an Onlineshops? In BFSG, § 3, Absatz 1 wird festgestellt:

Produkte, die ein Wirtschaftsakteur auf dem Markt bereitstellt und Dienstleistungen, die er anbietet oder erbringt, müssen barrierefrei sein. Produkte und Dienstleistungen sind barrierefrei, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.

Dass ein Onlineshop ohne Weiteres auffindbar und zugänglich sein sollte, kann ein Händler gewährleisten, indem er sicherstellt, dass das eigene Angebot in Suchmaschinen, auf Preisvergleichsportalen, in Social Media und in weiteren für die angesprochenen Zielgruppen relevanten Bereichen zu finden ist – und dass der Shop erreichbar ist. Das ist einigermaßen trivial und liegt ohnehin im Interesse des Betreibers.

Aber wenn es um die Nutzbarkeit ohne fremde Hilfe geht – auch für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen – dann werden schon außerordentlich hohe Anforderungen an das Frontend eines Shops gestellt. Die Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV) definiert zwei Anforderungspakete, die für Shopbetreiber relevant sind: „allgemeine Anforderungen an Dienstleistungen“ (BFSGV § 12) und „zusätzliche Anforderungen an Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ (BFSGV § 19).

Allgemeine Anforderungen aus BFSG und BFSGV an Onlineshops

  • Bereitstellung von Informationen über die Funktionsweise der Dienstleistung. Dabei müssen folgende Punkte erfüllt sein:
    • Die Informationen werden über mehr als einen sensorischen Kanal bereitgestellt,
    • sie sind für den Verbraucher auffindbar,
    • sie werden in verständlicher Weise dargestellt,
    • sie werden den Verbrauchern auf eine Weise dargestellt, die sie wahrnehmen können,
    • der Informationsinhalt wird in Textformaten zur Verfügung gestellt, die sich zum Generieren alternativer assistiver Formate durch den Verbraucher eignen, die auf unterschiedliche Art dargestellt und über mehr als einen sensorischen Kanal wahrgenommen werden können,
    • sie werden in einer Schriftart mit angemessener Größe und mit geeigneter Form unter Berücksichtigung des vorhersehbaren Nutzungskontexts und mit ausreichendem Kontrast sowie ausreichenden Abständen zwischen den Buchstaben, Zeilen und Absätzen dargestellt,
    • es wird eine alternative Darstellung des Inhalts angeboten, wenn Elemente nicht-textlichen Inhalts enthalten sind und
    • die zur Erbringung der Dienstleistung erforderlichen digitalen Informationen werden auf konsistente und angemessene Weise bereitgestellt, indem sie wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet sind.
  • Websites, einschließlich der zugehörigen Online-Anwendungen und auf Mobilgeräten angebotenen Dienstleistungen wie mobile Apps müssen auf konsistente und angemessene Weise wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet werden und
  • im Fall der Verfügbarkeit von Unterstützungsdiensten wie Help-Desk, Call-Center, technische Unterstützung, Relaisdienste und Schulungsdienste müssen diese die Informationen über die Barrierefreiheit und die Kompatibilität der Dienstleistung mit assistiven Technologien mithilfe von barrierefreien Kommunikationsmitteln bereitstellen.

Zusätzliche Anforderungen aus BFSG und BFSGV an Onlineshops

  • Informationen zur Barrierefreiheit der zum Verkauf stehenden Produkte und der angebotenen Dienstleistungen müssen bereitgestellt werden, soweit diese Informationen vom verantwortlichen Wirtschaftsakteur zur Verfügung gestellt werden.
  • Identifizierungs-, Authentifizierungs-, Sicherheits- und Zahlungsfunktionen müssen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet sein, wenn sie nicht in Form eines Produkts, sondern im Rahmen einer Dienstleistung bereitgestellt werden.
  • Identifizierungs- und Authentifizierungsmethoden, elektronische Signaturen und Zahlungsdienste müssen ebenfalls wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet sein, sofern sie bereitgestellt werden.

Welche Maßnahmen schließlich nötig sind, damit die Anforderungen an Wahrnehmbarkeit, Verständlichkeit, Bedienbarkeit und Robustheit erfüllt sind, definiert das World Wide Web Consortium (W3C) in seinen „Web Content Accessibility Guidelines“, die aktuell in der Version WCAG 2.1 maßgeblich sind. Der Grad der erreichten Barrierefreiheit wird in den drei Stufen A, AA und AAA angegeben, wobei AA als Standard gilt. In Deutschland wurden die WCAG-Vorgaben in der „Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung“ BITV 2.0 nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) adaptiert.

In der Theorie sind die rechtlichen Rahmenbedingungen und die technischen Standards längst ausführlich definiert. Aber wenn es darum geht, einen bestimmten Onlineshop barrierefrei zu machen, stehen Shopbetreiber vor großen Herausforderungen, die ohne fachkundigen Rat und technische Unterstützung nicht zu bewältigen sind.

Weiterlesen in Teil II: Barrierefreiheit als Herausforderung und Chance

Im zweiten Teil unseres Schwerpunkts zur Barrierefreiheit im E-Commerce, der im Juni 2024 erscheint, werden wir uns den konkreten Konsequenzen dieses Themas zuwenden. Vor dem Hintergrund der in diesem Beitrag zusammengefassten rechtlichen Rahmenbedingungen richten wir den Blick dann auf konkrete Herausforderungen für Händler und erklären, warum die Umsetzung der neuen rechtlichen Vorgaben Shopbetreiber in eine echte Win-Win-Situation bringen kann.

Können wir Sie unterstützen?

Wenn Sie fundierte Beratung zur Barrierefreiheit von Onlineshops benötigen, sprechen Sie uns gern an. Wir helfen Ihnen dabei, Ihren Shop fit für BFSG und BFSGV zu machen.

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