Der AI Copilot in Shopware 6: Interview mit Jonas Fuchs

Der AI Copilot in Shopware 6: Interview mit Jonas Fuchs

Im Rahmen des Community Days 2023 hat Shopware den AI Copilot vorgestellt: Acht Funktionen, die auf künstlicher Intelligenz basieren, sollen den Betreibern von Shopware 6 Onlineshops die Arbeit erleichtern. Die neuen Features stehen in den kommerziellen Versionen Rise, Evolve und Beyond zur Verfügung. Aber was können sie leisten – und was noch nicht? Welche weiteren Features sind bereits in Vorbereitung – und wird der AI Copilot auch in der Community Edition verfügbar sein?

Wir haben mit Jonas Fuchs, Product Owner Data & Services bei der shopware AG, gesprochen und allerhand darüber erfahren, wie die aktuellen technischen Entwicklungen und Möglichkeiten im Bereich künstliche Intelligenz aufseiten von Shopware eingeschätzt werden und was für die kommenden Versionen von Shopware 6 mit dem AI Copilot womöglich noch zu erwarten ist.

Direkt im Backend kann AI-generierter Content für Erlebniswelten erzeugt werden. Das klingt super, aber wir wissen alle, dass AI-Tools oft nur Wortblasen oder sogar frei erfundenen Unsinn „schreiben”. Wozu ratet ihr Shopbetreibern für den Praxiseinsatz dieses Features – und wovor würdet ihr sie warnen?

Jonas Fuchs: Hier gilt der gleiche Ansatz wie auch bei anderen generative AI-Tools wie ChatGPT. Der generierte Content sollte nicht eins-zu-eins blind übernommen werden, da sich durchaus inhaltliche Fehler in der Ausgabebefinden können. Auch die Ausdrucksweise sollte überprüft werden, um sicherzustellen, dass die Ansprache zur Zielgruppe passt. Das Resultat hängt sehr stark von dem vorher mitgegebenen Kontext ab. Je mehr Kontext der AI Copilot erhält, umso besser ist das Ergebnis am Ende. Wir raten generell, den generierten Content als Inspiration und Grundlage zu nutzen, um schneller und effizienter zu dem gewünschten Content zu gelangen. Der AI Copilot ersetzt noch nicht den Menschen.

Wer den neuen Export-Assistenten bittet: „Gib mir alle Bestellungen von gestern”, bekommt das Ergebnis der entsprechenden Datenbank-Abfrage als CSV. Das ist wirklich praktisch. Aber ihr habt erwähnt, dass dabei noch nicht alle Anfragen möglich sind und dass an dem Feature noch gearbeitet wird. Was funktioniert noch nicht – und wann liefert ihr das nach?

Das Feature ist unser erster Ansatz, um die Suche in der Administration mit Conversational-Search-Aspekten zu verbinden. Schon mit diesem praktischen Usecase kann man erkennen, welche Möglichkeiten das mit sich bringen kann. Es spart eine Menge Zeit, wenn ich nicht mehr durch die Shopware Administration navigieren muss, wenn ich mein gesamtes Problem direkt über die Suche lösen kann. Auch hilft es dabei, Menschen, die keinen technischen Hintergrund haben, die Arbeit in der Administration zu vereinfachen. Im Moment ist der Ansatz auf diesen einen Usecase beschränkt, aber die Suche wird weiter ein riesiges Thema für den AI Copilot werden. Mir fallen dutzende Ideen ein, wie das gleiche Prinzip auch für andere Zwecke angewendet werden kann. Zum Beispiel: „Erstelle mir eine Statistik der zehn Kategorien mit der besten Conversion Rate aus den letzten drei Monaten“ oder „Erstelle mir eine Liste mit Produkten, die weniger als drei Produktbilder besitzen“. Die Möglichkeiten erscheinen grenzenlos. Allerdings spielt hier auch das Thema Datenschutz eine große Rolle. Im Moment hat der AI Copilot keinen Zugriff auf die Shopdaten der Händlerinnen und Händler. Im Moment kann die AI lediglich die Datenbankstruktur erkennen und erstellt auf dieser Basis die Abfrage. Die Frage des Datenschutzes gilt es noch zu beantworten. Da spielen verschiedenste Faktoren eine Rolle, wie Bereitschaft unserer Kunden, Zugriff zu gewähren und natürlich auch gesetzliche Rahmenbedingungen – Stichwort DSGVO.

Nehmen wir an, ein Händler möchte seine Shopkunden für Marketing-Kampagnen „irgendwie sinnvoll segmentieren”, weiß aber nicht recht, wie er das angehen soll. Bei euch klingt es so, als wäre es eine gute Idee, wenn er einfach schaut, was ihm der AI Copilot für die Kundenklassifikation vorschlägt. Wäre es nicht besser, wenn er erst mal selbst Ziele definiert? Aber wann und wie genau kommt dann die AI ins Spiel?

Ähnlich wie beim Export Assistent fahren wir auch hier einen Ansatz, der noch nicht alle Möglichkeiten abdeckt. Wir wollen erst einmal wissen, ob das Feature genutzt wird und wie das Feedback aussieht. Uns ist klar, dass vor allem die großen Shops häufig schon professionelle Teams haben, die sich mit Personalisierung auf einem viel höheren Niveau beschäftigen, das wir aktuell noch nicht abdecken können. Allerdings spreche ich auch häufig mit Händlerinnen und Händlern, die sich entweder erst mit den Grundlagen beschäftigen oder noch ganz am Anfang stehen, aber bereits sehr großes Interesse an dem Thema zeigen. Hier kann der AI Copilot einen ersten Einstieg bieten, einfache Segmentierungen zu erstellen und diese in der Anwendung zu testen.

Der Keyword-Assistent für Bilder ermittelt zu Fotos in der Medienbibliothek automatisch passende Keywords. Wie sind eure Erfahrungswerte: Worauf müssen Händler bei ihren Bildern achten, damit dieses praktische Feature in der Praxis möglichst gut funktioniert?

Mir ist aktuell nichts bekannt, worauf Händlerinnen und Händler speziell achten müssen. Wer mit Anwendungen wie Google Photos auf Android vertraut ist, weiß, wie zuverlässig Image Recognition Tools bereits heute schon sind. Wir setzen in diesem Fall auf Amazons AWS Rekognition. Die viel spannendere Frage, die wir uns beantworten müssen, ist das Thema Skalierung und Kostenskalierung. Das gilt aber für alles, was rund um das Thema AI geschieht.

Der AI Copilot für die Zusammenfassung von Produktbewertungen fasst automatisiert als Text zusammen, was andere Kunden zu einem Produkt an Feedback geliefert haben. Das könnte gerade bei sehr unterschiedlich ausfallenden Bewertungen schwierig werden. Wäre es nicht besser, wenn das Tool aus den Bewertungen eine Gegenüberstellung von Pros und Contras in Stichpunkten generiert? Plant ihr so etwas?

Das ist absolut denkbar und eine gute Idee, die ich aufnehmen werde! Wie bei allem, was den AI Copilot angeht, sind wir auf genau solches Feedback angewiesen, um es weiter voranzutreiben. Exakt dazu wird gerade nichts Konkretes geplant. Aber generell denken wir darüber nach, den AI Copilot stärker zu öffnen, damit Händler und Händlerinnen selbst Ideen umsetzen können und weniger auf vorgegebene Usecases beschränkt sind. Hier sind wir aber erst in der frühen Ideenphase; ich kann im Moment keine Einblicke in Details geben.

Wenn der AI Copilot für personalisierte Nachrichten beim Checkout aktiv ist, werden persönliche Nachrichten generiert, die Kunden nach dem Einkauf auf der Grundlage ihres Warenkorbs angezeigt werden. Diese Texte könnten bisweilen etwas hölzern wirken. Was müssen Shopbetreiber im Umgang mit diesem Feature beachten, damit ihre Kunden sich am Ende wirklich über die Nachrichten freuen – und nicht irritiert oder verärgert reagieren?

Die meisten der Checkout Messages, denen ich in meiner privaten Aktivität begegne, klingen hölzern, emotionslos und immer gleich. Hier gilt es auszuprobieren und genau zu beobachten. Auch Transparenz hilft hier gegenüber den Kunden, um zu vermitteln, dass es sich um einen Test handelt. Wenn man seinen Kunden dann auch noch direkt einen Rückkanal bietet, worüber sie Feedback transportieren können, kann man Frustration neutralisieren und in wertvolle Information umwandeln. So versuchen wir es auch zu handhaben mit dem AI Copilot. Da, wo wir uns nicht sicher über die Zuverlässigkeit sind, weisen wir darauf hin. Je mehr Feedback wir bekommen, umso leichter können wir Verbesserungen entwickeln.

Der AI Copilot für Produkteigenschaften kann anhand einer Produktbeschreibung Eigenschaften anlegen, was sicher praktisch sein kann. Aber plant ihr auch ein Feature, das gewissermaßen umgekehrt funktioniert, also aus den für ein Produkt hinterlegten Informationen einen Produktbeschreibungstext formuliert?

Ja, das ist ein absolut offensichtlicher Use-case, den wir auch selbst bereits diskutieren. Damit wären wir ja auch längst nicht die ersten im Markt. Ich habe vor einigen Jahren bereits bei einem Projekt mitgewirkt, wo wir über eine Schnittstelle zu einem deutschen Anbieter Produktbeschreibungen auf Basis der Produkteigenschaften haben generieren lassen. Das Ergebnis war damals schon extrem gut. Im Fall von Shopware 6 haben wir uns im ersten Schritt bewusst dagegen entschieden, da wir Zugriff auf die Produktdaten benötigen würden. Das Thema Datenschutz ist uns extrem wichtig und wir wollen hier keinen Schnellschuss machen. Auch wenn Produktdaten keine personenbezogenen Daten enthalten und über den Shop praktisch öffentlich verfügbar sind, ist uns Consent an der Stelle wichtiger. Hier sind wir aber schon weit vorangeschritten, um entsprechende Consent-Mechanismen in Shopware 6 einzubauen, damit Händlerinnen und Händler konfigurieren können, welche Daten sie uns in Zukunft bereitstellen wollen, um im Gegenzug Mehrwerte – wie das angesprochene Beispiel – zu bekommen.

Mithilfe des AI Copiloten für die Übersetzung von Bewertungen kann für fremdsprachige Kunden auf der Produktdetailseite die Möglichkeit zum Übersetzen von Produktbewertungen per Klick angeboten werden. Das wäre sicher auch für andere Inhalte wie die Produktbeschreibung praktisch. Plant ihr, dieses Feature weiter auszurollen, so dass Händler ihren Shop grundsätzlich nur in ein oder zwei Sprachen anbieten und im Frontend auf Wunsch trotzdem alle möglichen Sprachen sprechen lassen können?

Automatische Übersetzungen sind kein sonderlich neues Thema. Für Product Reviews ist das auch bereits Teil des AI Copilots. Allerdings spielt hier auch wieder das Thema Genauigkeit eine große Rolle. Ein automatisch übersetzter Text ist nicht unbedingt verwendbar, auch wenn er grammatisch korrekt ist. Für einfache Texte funktioniert das schon sehr gut, aber je umfangreicher und relevanter der Content wird, desto bedeutender wird es, wie der Text geschrieben ist. Das ist nach wie vor ein Thema, das viele unserer Kunden regelmäßig beschäftigt und vor Herausforderungen stellt. Einerseits müssen wir hier seitens Shopware 6 noch besser werden, damit sich Übersetzungsprozesse einfacher und schneller in Shopware integrieren lassen. Andererseits bedeutet es nach wie vor großen Aufwand, zuverlässige und gute Übersetzungen zu erstellen, die den richtigen Ton treffen. Häufig ist es daher so, dass unsere Kunden Übersetzungen nicht selbst durchführen, sondern externe Agenturen oder Tools eingebunden haben, die diese Aufgabe übernehmen. Hier wird in der Regel nicht direkt in Shopware 6 übersetzt. Das heißt, die Übersetzung gibt es schon, bevor der eigentliche Text in Shopware 6 gelangt. Ich glaube aber, das wird sich in Zukunft sehr stark wandeln. Indem man AI-Tools auch den Kontext mitgibt Tonalität, Ansprache, Kommunikationsstil, Zielgruppe, usw. – lassen sich Übersetzungen immer präziser erstellen. Ich bin mir aber heute nicht sicher, ob Shopware 6 hier die entscheidende Stelle sein wird. Kurz gesagt: Ja, das Thema haben wir auf dem Schirm, aber wir müssen erst noch besser verstehen, wie die Entwicklung aussehen wird und wie Kunden damit umgehen werden beziehungsweise was sie von uns erwarten.

Auf welchen Technologien basieren die Features des AI Copiloten in Shopware 6?

Unterschiedlich. Klar ist OpenAI aktuell eine wichtige Schnittstelle, die einfach viel Raum zum Experimentieren erzeugt. Außerdem nutzen wir Amazon AWS Rekognition, was ich auch bereits genannt habe. Wir wollen uns aber langfristig nicht vollständig abhängig von einem Anbieter machen. Wir probieren daher viel aus und schauen uns an, was der Markt bietet. Ziel ist es aber auch, uns in die Lage zu versetzen, eigene Modelle basierend auf unseren eigenen Daten zu trainieren oder feinabzustimmen.

Habt ihr AI-gestützte Features für personalisierte Produktempfehlungen in Echtzeit in Planung?

Ich glaube, an diesem Thema kommt früher oder später niemand im E-Commerce vorbei, auch Shopware 6 nicht 😉

Welche weiteren AI-Features habt ihr für Shopware 6 noch in der Pipeline?

Ich kann aktuell nichts Konkretes verraten. Aber als Produktmensch denke ich sowieso ungerne in „AI-Features“. Klar ist für mich, dass wir uns immer die Frage stellen müssen, ob AI oder ML zur Lösung eines Kundenproblems beitragen kann oder einen signifikanten Mehrwert bietet. Außerdem wird vieles, was AI getrieben sein wird, unter der Haube stattfinden, wovon Nutzerinnen und Nutzer im Zweifel gar nichts mitbekommen werden.

Sollen AI-Features irgendwann auch in der Community Edition zur Verfügung stehen?

Davon gehe ich aus. Die Bedeutung der Community Edition ist für uns ungebrochen. Wenn wir davon sprechen, dass wir auf Basis von Daten Mehrwerte via AI liefern wollen, denken wir die Community Edition natürlich mit. Wir können aber nicht einfach Daten erheben und dann nichts zurückgeben. Das wollen wir nicht – und das entspricht auch nicht unserem Verständnis von Community. Ich bin daher überzeugt, dass von zukünftigen AI getriebenen Services auch die Community profitieren wird.

Dann sind wir gespannt auf die weiteren Entwicklungen. Vielen Dank für dieses wirklich aufschlussreiche Gespräch!

Zur Person: Jonas Fuchs

Mit mehr als einem Jahrzehnt Erfahrung im E-Commerce arbeitet Jonas Fuchs derzeit als Product Owner Data & Services bei Shopware. In seiner Rolle ist er verantwortlich für alle Aspekte rund um Daten und die dazugehörigen Services in Shopware 6. Außerdem beschäftigt er sich mit Produktstrategie, Marktforschung, Kundenforschung, Daten und KI für Shopware 6. Zuvor war Jonas als Produktmanager bei Onlineshops tätig, wo er UX-Konzepte entwickelt und getestet und die Conversion-Optimierung durch AB-Tests vorangetrieben hat.

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